Ausrichtung von Lehre und Forschung
Die Judaistik an der Albert-Ludwigs-Universität ist ausgerichtet auf die Wirkungsgeschichte von Motiven, Figuren und Themen der Hebräischen Bibel in der jüdischen Literatur und versteht sich als Beitrag zu einer Kultur- und Mentalitätsgeschichte des Judentums mit zwei Schwerpunkten: dem talmudisch-rabbinischen Schrifttum einerseits, der zeitgenössischen israelischen Literatur andererseits.
Traditionell-religiöse sowie säkulare Texte stehen gleichermassen im Zentrum des Interesses, wobei Thora und Talmud aus einer historisch-philologischen Sicht, (post-)moderne Literatur aus religionswissenschaftlicher Sicht zusammengedacht werden. Aufgrund dieses Profils kommt auch der interdisziplinären Zusammenarbeit eine bedeutende Rolle zu.
Der literatur- und religionswissenschaftlichen Ausrichtung der Judaistik entsprechend, nimmt das Erlernen der Sprachen (Hebräisch auf seinen verschiedenen Stufen von der Bibel bis ins 21. Jahrhundert, Aramäisch und Jiddisch) einen erheblichen Stellenwert ein. Die Texte werden in Seminarien und Proseminarien aus den Originalsprachen (namentlich Hebräisch, Aramäisch und Jiddisch) erschlossen. Die Vorlesungen stehen auch Hörerinnen und Hörern offen, die über keine Hebräisch-Kenntnisse verfügen, da hier mit Übersetzungen gearbeitet wird.
Ein Projekt, welches sich gleichermassen in Lehre und Forschung eingliedert, ist der Zyklus Klassiker der jüdischen Literatur, welcher einerseits eine vier-semestrige Seminar-Reihe zu Standardwerken der jüdischen Kultur umfasst (I Antike, II Mittelalter, III Aufklärung und Neuzeit, IV israelische Literatur; das talmudisch-rabbinische Schrifttum bildet eine selbständige Lerneinheit). Andererseits sind die Klassiker der jüdischen Literatur eine Rubrik, die in der Fachzeitschrift Kirche und Israel grundlegende Werke der jüdischen Literatur aus verschiedensten Epochen vorstellt.
Zentrales Forschungsprojekt ist eine Untersuchung mit dem Arbeitstitel Vorstellungen vom Bösen im Judentum. Die Theodizee, die Verantwortlichkeit Gottes gegenüber dem Bösen in der Welt, ist speziell in monotheistischen Religionen eine zentrale Frage. Die jüdische Traditionsliteratur beantwortet diese Frage mit sehr verschiedenartigen Ansätzen. Die geplante Monographie will anhand ausgewählter Themen und Werke die grundlegenden Erklärungsmodelle zusammentragen: den biblischen Bericht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, den frühjüdischen Topos der gefallenen Engel, die rabbinische Anthropologie vom bösen Trieb, die kabbalistische Idee der anderen Seite oder den lurianischen Mythos vom Bruch der Gefässe - um nur ein paar Vorstellungen zu nennen. Sie alle münden in tragischer Weise in Erklärungsansätze jüdischer Holocaust-Theologien und wirken als kulturelles Allgemeingut in der israelischen Literatur weiter.
Daneben Betreuung verschiedener Dissertationen, u.a. des Projektes 11-63935.00 des Schweizerischen Nationalfonds Moritz Heidenheim und seine Bibliotheca Hebraica: In diesem Projekt bearbeitet Frau lic. phil. Olivia Franz-Klauser die Biographie des Moritz Heidenheim und seinen Nachlass, eine der grössten judaistischen Spezialsammlungen der Schweiz mit 238 hebräischen Handschriften und 3724 hebräischen Drucken; die Erschliessung der Heidenheimia bietet zahlreiches Material für weitergehende Forschung.