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Übersetzung und Einordnung

"Die demokratischen Kräfte Syriens starteten den Prozess der Vertreibung von 'Daesh' im Norden von Ar-Raqqa"

Aus: an-Nahār

Datum: 24. Mai 2016, 18:14

Quelle: AP[1]

URL: www.annahar.com/article/389702

 

Übersetzung

Die demokratischen Kräfte Syriens starteten den Prozess der Vertreibung von „Daesh“ im Norden von ar-Raqqa

Die „Demokratischen Kräfte Syriens“, eine Koalition von arabischen und kurdischen Gruppierungen, kündigte an, eine Operation einzuleiten, um die Organisation „Islamischer Staat“ aus dem Norden der Provinz ar-Raqqa, seiner (derzeitigen) Hochburg in Syrien, mit der Unterstützung der internationalen Koalition unter der Führung von Washington, zu verdrängen.

Die „Demokratischen Kräfte Syriens“ twitterten über den Account der Führerin der Kräfte, Rojda Felat: „Wir beginnen mit der Operation der Befreiung des Nordens von ar-Raqqa unter der Beteiligung aller Einheiten der Demokratischen Kräfte Syriens“, mit Unterstützung der internationalen Koalition unter der Führung von Washington. Sie fügte hinzu, dass das Ziel (der Operation) die Eindämmung von terroristischen Operationen aus Asch-Schaddadi (im Süden von al-Hasaka) und Tall Abyad (im Norden von ar-Raqqa) und Kobane (im Norden von Aleppo) sei.

In allen dieser Regionen gelang es den kurdischen Kämpfern die Organisation „Islamischer Staat“ zu vertreiben. Die Demokratischen Kräfte Syriens begannen mit ihrer Offensive von der Stadt Tall Abyad im Norden von ar-Raqqa aus, im Grenzgebiet zur Türkei und der Stadt Ain Issa, welche mehr als 50 Kilometer von der Stadt ar-Raqqa entfernt liegt, so der Direktor der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte Rāmī ʿAbd al-Rahman. Die kurdischen Kämpfer hatten den „Islamischen Staat“ im Juni 2015 aus Tall Abyad vertrieben und im Juli 2015 aus ʿAin ʿīsa. ʿAbd al-Rahman sagte: „Unter dem Einsatz von Kampfflugzeugen der internationalen Koalition wurden seit dem Morgen dutzend Angriffe gegen Standorte der Organisation im nördlichen Umland von ar-Raqqa, den nördlichen Rändern der Stadt sowie das Zentrum von ar-Raqqa durchgeführt, um den Vormarsch der Demokratischen Kräfte Syriens im Norden von ar-Raqqa vorzubereiten.

Die Angriffe führten bis jetzt zum Tod von mindestens 22 Mitgliedern der extremistischen Organisation. Demokratische Kräfte Syriens ist der Name einer kurdisch-arabische Allianz, an deren Spitze Einheiten zum Schutze des kurdischen Volkes stehen. Es stellte sich heraus, dass sie im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ die effektivste Kraft war. So konnten sie diesen aus mehreren Teilen des Nordens und Nordostens von Syrien erfolgreich vertreiben.

Vor einigen Tagen verkündete Brad McGurk, Sonderbeauftragter des US Präsidenten bei der internationalen Koalition gegen „Daesh“, in einem Tweet, dass der Befehlshaber der amerikanischen Truppen im Mittleren Osten General Joseph Votel am Samstag Syrien besuchte, um bei der Offensive auf ar-Raqqa zugegen zu sein.

 

Zur Zeitung

Die arabische Tageszeitung an-Nahār gilt mit seiner verhältnismäßig hohen Auflage[2] als „Meinungsführer“ im Land. Primäre Leserschaft der Zeitung sind libanesische ChristInnen der Mittleren- und Oberschicht. Nur wenige Zeitungen im Libanon schaffen es von unterschiedlichen Konfessionsgruppen gelesen zu werden. Die an-Nahar ist jedoch bekannt dafür, trotz des griechisch-orthodoxen Hintergrunds, auch von MuslimInnen gelesen zu werden. Sie gilt daher im Volksmund vergleichsweise als unabhängig und moderat (Völkel 2008:185).

Gegründet wurde die Zeitung bereits 1933 von Gebran Tueni (Dschibrān Tuwaynī), einem griechisch-orthodoxen Journalist und Politiker (Ayalon 1995:89). Zu dieser Zeit schrieb die Zeitung vor allem gegen die französische Besatzung und panarabische[3] Ideologien. Später übernahm sie sein Sohn Ghassan Tueni (Ghassān Tuwaynī) und anschließend sein Enkel Gebran Tueni Junior. Das syrische Militär besetze in Folge des libanesischen Bürgerkriegs (1975-1990) den Libanon, um für Sicherheit und Frieden zu sorgen. Gebran Tueni Junior war ein scharfer Kritiker der syrischen Besatzungspolitik und wurde im Dezember 2005 Opfer eines Attentats. Es wird davon ausgegangen, dass der syrische Geheimdienst hinter dem Attentat steckt (Völkel 2008:187). Die Tageszeitung ist in Syrien bis heute verboten. Sie positioniert sich klar gegen die syrische Regierung Baschar al-Assads. Sie kann daher der 14. März-Bewegung zugeordnet werden, benannt nach den libanesischen Demonstrationen am 14. März 2005, bei welchen der Abzug der syrischen Truppen gefordert wurde.

In dem Artikel Die demokratischen Kräfte Syriens starteten den Prozess der Vertreibung von „Daesh“ im Norden von ar-Raqqa vom 24. Mai 2016 wird das Militärbündnis der kurdischen und arabischen Gruppen im Norden mit ihrer Selbstbezeichnung „Demokratischen Kräfte Syriens“ oder mit „kurdischen Kämpfern“ wiedergegeben. Diese würden zum „Schutze des kurdischen Volks“ kämpfen. Zusammen mit einer internationalen Koalition wollen diese den Norden „befreien“. Terroristische Aktivitäten sollen dadurch eingedämmt werden. Den „Kräften“ sei es gelungen Daesh[4] im Norden zu vertreiben. Damit sei sie die „effektivste Kraft“ im Kampf gegen Daesh. Das Spannungsverhältnis mit der Türkei und der PKK wird nicht erwähnt. Es gibt in dem Artikel auch keine weiteren Hintergrundinformationen zur Partei, die kritisch evaluiert werden. Die Zeitung wirkt dem Bündnis gegenüber wohlgesinnt. Das Bündnis erhält in diesem Artikel Anerkennung, für die erfolgreiche Vertreibung von Daesh. Sie wird als eine effektive Kraft im Kampf gegen den Terror gesehen.

 

"Ankara an Washington: 'Wir oder die Kurden im Krieg gegen Daesh.'"

Aus: As-Safīr

Datum: 30. Mai 2016, 11:55                           

Quelle: Anatolien, AFP[5]

URL:

https://web.archive.org/web/20161104145754/http:/assafir.com/Article/5/496763

 

Übersetzung

Ankara an Washington: „Wir oder die Kurden im Krieg gegen Daesh.“

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu forderte am Montag, dass die USA die Einbindung kurdischer Bewaffnete im Kampf gegen die Organisation „Daesh“ in Syrien, unterlassen sollten. Die Spannungen in den türkisch-amerikanischen Beziehung schärften sich am Samstag, als amerikanische Soldaten Abzeichen der Miliz „Demokratische Kräfte Syriens“ trugen, deren Rückgrat kurdische Kämpfer bilden und die in der Türkei als terroristisch gilt.

Çavuşoğlu sagte in einer Pressekonferenz in der japanischen Hauptstadt Tokio: „Was wir mit den Amerikanern besprochen haben ist die möglichst sofortige Schließung des Manbij-Pockets und die Eröffnung einer zweiten Front“, in Bezug auf die Region, die an der Grenze zur Türkei von Daesh beherrscht wird. Und er fügte hinzu: Wenn wir unsere Kräfte bündeln sie besitzen ihre eigenen Kräfte und wir besitzen unsere eigenen Kräfte dann sagen wir „Ja“ zu einer neuen Front, jedoch ohne die Beteiligung der Partei der demokratischen (kurdischen) Union. Damit ist der politische Flügel der kurdischen "Volksverteidigungseinheit“ gemeint, welche Washington im Norden von Syrien unterstützt und die Ankara als „terroristisch“ betrachtet.

Çavuşoğlu erklärte, dass arabische syrische Oppositionelle die von den türkischen und amerikanischen Spezialkräften sowie von anderen Ländern wie Deutschland und Frankreich bewaffnet und unterstützt wurden, „mit Leichtigkeit“ in Richtung ar-Raqqa vorrücken könnten.

Ar-Raqqa ist seit dem Jahr 2013 von Daesh besetzt. Der türkische Minister äußerte seine Enttäuschung über Washington, da die USA „ihre Versprechen nicht einhalten“. Gemeint ist die Verschiebung der Lieferung von Raketenabwehrbatterien nach Ankara auf den kommenden August. Die Miliz „Demokratische Kräfte Syriens“ hat seit letzter Woche intensive Angriffe im nördlichen Umland von ar-Raqqa, der wesentlichen Hochburg von Daesh in Syrien, durchgeführt. Diese Milizen unterstützen amerikanische Spezialeinheiten. 

 

Zur Zeitung

Zusammen mit der an-Nahār gilt die as-Safīr als meist verkaufte arabische Tageszeitung im Libanon.[6] Politisch betrachtet ist sie der Gegenspieler zur an-Nahār. Dem arabischen Nationalismus stand sie nach der libanesischen Unabhängigkeit wohlgesinnt gegenüber. Sie galt daher als säkulare und linksorientierte Zeitung. Als Gründungsdatum wird das Jahr 1974 angeführt. Die Zeitung wurde bereits 1951 von einem Maroniten gegründet, ist aber in den 70er Jahren von dem schiitischen Investor Talāl Salamān aufgekauft worden. Dadurch veränderte sich auch die politische Ausrichtung der Zeitung, weshalb das Gründungsdatum neu angegeben wurde (Völkel 2008:186). Die Zeitung ist vor allem unter MuslimInnen beliebt. Im Jahr 2005 unterstütze die Zeitung die 8. März-Bewegung, welche eine westliche Politik ablehnte und im Vergleich zur 14. März-Bewegung eine syrienfreundliche Politik vertrat. Sie steht der Hizbollah nahe, welche derzeit die Regierung unter Baschar al-Assad in Syrien unterstützt. Im Vergleich zur an-Nahār positioniert sie sich also pro-syrisch. Generell wird die politische Haltung der as-Safīr auch als anti-israelisch und anti-westlich umschrieben. Trotz der pro-syrischen Einstellung ist die as-Safīr seit 2011 in Syrien verboten.

 

Fazit

Darstellung der kurdischen Gruppierungen in der as-Safīr

Deutlich wird, dass die politischen Ziele der KurdInnen in einem kritischen Spannungsverhältnis zu Türkei stehen. Die Türkei empfindet die Autonomiebestrebungen als inakzeptabel. Sie sieht ihre territoriale Integrität durch die KurdInnen in Frage gestellt. Durch die Nähe zur PKK werden aus der Sicht der türkischen Regierung kurdische Gruppierungen in Syrien als „terroristisch“ wahrgenommen. Die Türkei lehnt die Unterstützung von kurdischen Gruppierungen in Syrien daher ab und fordert auch die internationale Gemeinschaft auf diese nicht zu unterstützen. Der Artikel aus as-Safīr hebt also grenzübergreifende politische Aspekte hervor.

Darstellung der kurdischen Gruppierungen in der an-Nahār

Eine andere Perspektive nimmt die an-Nahār ein, welche die Demokratischen Kräfte Syriens als „effektivste“ Kraft im Kampf gegen den Terror bezeichnet. Damit wird sie nicht als terroristisch, sondern in Syrien als Befreiungsfront angesehen. Die USA teilt diesen Blickwinkel und fördert das Bündnis militärisch. So konnte der IS aus den nördlichen Gebieten in Syrien vertrieben werden. Die Beziehung der kurdischen Gruppierungen zum syrischen Regime ist nicht klar. Derzeit kooperieren die Gruppierungen indirekt, da sie den IS als einen gemeinsamen Feind wahrnehmen. Wie die Beziehung sich jedoch durch ein Erstarken des syrischen Regimes verändern könnte ist ungewiss. Die EU scheint sich bisher nur zögerlich zur Kurdenpolitik in der Region zu positionieren. Ob die kurdischen Gruppierungen ihre Ziele weiterverfolgen können, hängt aber von der internationalen Zustimmung ab.

 

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[1] Associated Press (AP), eine US-amerikanische Nachrichtenagentur.

[2] Die Auflage wird auf 45.000 pro Jahr geschätzt.

[3] der Panarabismus ist ein arabisch-propagierter Nationalismus, der sich durch Säkularismus auszeichnet und somit auch nicht islamische Gemeinschaften zur arabischen Nation dazuzählt.

[4] Zu Deutsch: Islamischer Staat (IS).

[5] Agence France-Presse, eine französische Nachrichtenagentur.

[6] Die Auflagen der as-Safīr werden auf ca. 50.000 pro Jahr geschätzt (Völkel 2008:185).